Dies ist ein Begleitartikel zu wöchentlichen Updates zu den Schweizer COVID-Infektionszahlen auf Twitter.
Die Kurven zeigen, wie sich die täglichen Zahlen der bestätigten Coronavirus-Fälle in der Schweiz entwickeln könnten unter verschiedenen Annahmen bezüglich der Effekte von Massnahmen, dem Verhalten der Bevölkerung und der Verbreitung der neuen, ansteckenderen Virusvarianten. Diese Effekte zeigen sich im Reproduktionswert R, der Zahl von Menschen, die ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Die Szenarien basieren auf dem R-Wert der “alten” Variante; der der neuen wäre höher, weil sie ansteckender sind.
Szenario A und B wurden am 29. Dezember von der wissenschaftlichen Taskforce an einer Pressekonferenz erklärt. Sie gehen von 50% ansteckenderen neuen Varianten aus, die Anfang Jahr 1% von 4'000 täglichen Fällen ausmachen.
Szenario A zeigt, wie sich die Fallzahlen entwickeln würden, wenn es uns gelingt, den R-Wert auf 0.9 zu senken.
Das Szenario zeigt, dass Fallzahlen erst abnehmen würden, dann ab Mitte Februar aber wieder zunehmen. Dies liegt daran, dass sich die neuen Varianten bis dann stärker verbreitet haben. Massnahmen, die bei der alten Variante zu einer Abnahme der Fälle führen, würden nicht ausreichen, um bei den neuen Varianten ein Ansteigen der Fälle zu verhindern.
Die Taskforce zeigt auf, dass ein R-Wert von 0.9 nicht ausreichen wird, um eine dritte Welle zu verhindern.
Szenario B zeigt, wie sich die Fallzahlen entwickeln würden, wenn wir den R-Wert auf 0.8 senken können. Auch hier sinken die Fallzahlen, sie nehmen dann aber ab Ende März wieder deutlich zu, aber langsamer als im Szenario A.
Eine dritte Welle würde trotzdem folgen, sie ist auf dieser Graphik einfach noch nicht sichtbar.
Wenn es uns gelingt, Szenario B zu erreichen und Fälle bis Ende Februar auf 600 oder weniger pro Tag zu senken, dann ist es wichtig, einen erneuten Anstieg zu verhindern — und stattdessen Fallzahlen idealerweise weiter zu senken. Dies können wir erreichen mit verbessertem Testen, Kontaktverfolgung, Isolation und Quarantäne. Wenn wir mit den Impfungen rasch Voranschreiten, wird das ebenfalls helfen, Fälle zu reduzieren und insbesondere auch schwere Verläufe zu vermeiden.
Szenarien C und D sind Erweiterungen meinerseits mit R-Werten von 1.0 und 1.1 (ansonsten bleiben alle Annahmen gleich). Diese Szenarien wären relevant gewesen, hätte der Bundesrat die Massnahmen der Weihnachtszeit unverändert belassen oder gar gelockert. Mit den verschärften Massnahmen, die er am 13. Januar ankündigte, werden Szenarien C und D glücklicherweise sehr unwahrscheinlich.
Vergleiche von Szenarien und Realität
Über die kommenden Wochen werden wir beobachten können, wie sich die Fallzahlen tatsächlich entwickeln und welchem Szenario sie am nächsten kommen.
Um die Epidemie wieder in den Griff zu kriegen, müssen wir auf oder unter die blaue Linie von Szenario B kommen.
Dies erfordert, dass wir an Freitagen jeweils die täglichen Fälle auf folgende (grob gerundete) Werte runterbringen:
- 8. Januar: 3'000
- 15. Januar: 2'200
- 22. Januar: 1'600
- 29. Januar: 1'200
- 5. Februar: 1'000
- 12. Februar: 800
- 19. Februar: 700
Bleiben wir über der blauen Linie oder gar über der orange-braunen Linie, so müssen weitere Massnahmen ergriffen werden. Warten wir zu oder wagen wir sogar Lockerungen bestehender Massnahmen, so riskieren wir einen starken Anstieg der Infektionszahlen in März und April — oder gar schon früher.
Massnahmen schrittweise ein bisschen zu verstärken und bei jeder Anpassung einige Wochen die Entwicklungen untätig zu beobachten, ist nicht zielführend (dieser Artikel zeigt dies anhand eines Beispiels auf). Wir müssen stattdessen möglichst schnell möglichst viel tun und anschliessend schrittweise und vorsichtig lockern (weshalb härtere Massnahmen eine schnellere Rückkehr zur Normalität ermöglichen, können Sie hier nachlesen).